Der Adventskalender – Die Geschichte und Entstehung

Er gehört für die meisten genauso zu Weihnachten wie ein Tannenbaum oder eine Pyramide, doch ihn gibt es noch nicht so lange: den Adventskalender. Besonders die kalendarische Variante ist weit verbreitet. Der liturgische Kalender richtet sich hingegen nach dem Kirchenjahr. Somit beginnt er am ersten Adventssonntag und endet an Heiligabend, in manchen Gegenden erst am Dreikönigstag. Doch egal, welche Version zu Hause steht: sie alle sollen die Wartezeit bis Heiligabend verkürzen und die Vorfreude steigern. Aber wie entstand der Adventskalender eigentlich?

Selbstgebastelter Adventskalender mit Geschenken und Tannenzapfen

Ursprung des Adventskalenders

Die Adventskalender-Geschichte beginnt 1838. Johann Heinrich Wichern, Leiter des evangelischen Knabenrettungshauses „Rauhes Haus“ bei Hamburg, hatte wahrscheinlich genug von der Frage, wann endlich Weihnachten sei. So entwickelte er eine Idee zur Darstellung der verbleibenden Tage. Er nahm sich ein altes Wagenrad und einen Holzkranz und steckte 20 kleine rote und vier große weiße Kerzen darauf. Bei den täglichen Andachten, zu denen alle gemeinsam Adventslieder sangen, durften die Kinder eine rote Kerze anzünden, an den Adventssonntagen zusätzlich eine weiße.

Während die katholische Kirche tägliche Adventsandachten in der Kirche veranstaltete, stand bei Protestanten eher die Zusammenkunft der Familie im Mittelpunkt. Dabei lasen sie miteinander Bibelstellen, beteten und sangen Lieder. Doch da Zeit eine abstrakte Größte ist, ließen sich auch evangelische Eltern ab circa 1840 etwas einfallen, um ihren Kindern die Zeit bis Heiligabend greifbar zu machen und die Vorfreude auf das Fest der Geburt von Jesus Christus zu steigern.

Erste Adventskalender-Formen

So entwickelten sich viele Methoden. Familien hängten häufig nach und nach 24 Bilder mit weihnachtlichen Motiven an die Wand oder malten Kreidestriche an die Tür, für die Sonntage jeweils einen langen Strich, und täglich durften die Kinder einen wegwischen. Sehr verbreitet waren außerdem „Adventsbäumchen“, teilweise auch selbstgebastelte Holzgestelle. Tag für Tag steckten die Kinder eine kleine Fahne oder einen Stern mit Bibelversen daran, manche Familien zündeten zusätzlich auch eine Kerze an. Das zunehmende Licht stand dabei als Sinnbild für die bevorstehende Ankunft des Lichts der Welt, Jesus Christus.

Doch auch in katholischen Familien warteten Kinder ungeduldig auf Weihnachten. Deshalb dachten sich die Eltern auch hier eine Art Adventskalender aus. Bei gutem Benehmen durfte der Nachwuchs bis Heiligabend täglich einen Strohhalm in die Krippe legen, damit das Jesuskind schön weich liegt. In manchen Klosterschulen gibt es die Tradition noch immer.

In Österreich entwickelte sich eine spezielle Form des Adventkalenders: die „Himmelsleiter“. Dabei bewegt sich das Christkind täglich eine Sprosse der Leiter abwärts und verdeutlicht damit den Gedanken, dass Gott zu Weihnachten in seinem Sohn Jesus Christus auf die Erde kam. Im skandinavischen Raum hingegen setzte sich die Adventskerze durch. Diese Kerze war in 24 Abschnitte unterteilt, an jedem Tag ließen die Familien die Kerze bis zur nächsten Markierung abbrennen.

Ende des 19. Jahrhunderts traten auch vermehrt „Weihnachtsuhren“ auf. Dabei ist eine Scheibe mit zwölf, beziehungsweise 24 Abschnitten markiert, jede Unterteilung war mit Liedtexten oder Bildern versehen war. Täglich durfte dabei ein Zeiger einen Schritt nach vorne gestellt werden.

Adventskerze brennend - rote Kerze

Der erste gedruckte Adventskalender

Erst 1902 veröffentlichte die evangelische Buchhandlung Friedrich Trümpler in Hamburg den ersten gedruckten Adventkalender. Sie entschieden sich für eine Weihnachtsuhr mit den Zahlen 13 bis 24, ab 1922 bekamen diese Uhren 24 Felder. Er kostete damals 50 Pfennig.

Ein Jahr später folgte der Münchner Verleger Gerhard Lang. Der Kalender „Im Lande des Christkinds“ enthielt einen Bogen mit 24 Bildern zum Ausschneiden und einen mit 24 Feldern für die ausgeschnittenen Teile. An jedem Tag im Advent durften die Kinder ein Bild ausschneiden und diesen in das vorgesehene Fenster einkleben. Am Heiligabend gab es ein Bild von dem weiß gekleideten Christkind. Bis in die 1930er Jahre hinein publizierte die lithografische Anstalt Reinhold & Lang zahlreiche kunstvolle Werke, die steigende Stückzahl führte zu vielfältigen Variationen. So beispielsweise auch zu dem ersten Adventskalender in Blindenschrift.

Gemälde eines Adventskalenders

Lang arbeitete mit viel Leidenschaft und entwickelte immer wieder neue Ideen. So folgten das „Christkindleinhaus zum Füllen mit Schokolade“, Adventskalender mit Füllungen zum Herausbrechen, Kalender, bei denen die Kinder Türchen öffnen konnten und viele weitere. Seine Motivation stammte angeblich von seiner Mutter. Sie nähte ihm als Kind 24 „Wibele“, eine Art schwäbisches Baisergebäck, auf Karton, wovon er täglich eins essen durfte.

Die hohe Qualität und Detailtreue von Gerhard Lang führten schnell zu höheren Auflagen. Dadurch drängten weitere Verlage auf den Markt und der Adventskalender verbreitete sich. Besonders die Version mit aufklappbaren Fenstern, hinter denen Bilder zu sehen waren, wurde immer beliebter. Dem zunehmenden Preisdruck konnte Lang allerdings nicht standhalten und stellte 1940 die Produktion ein. Aber ohne ihn wäre die Adventskalender-Geschichte nicht so umfangreich wie sie heute ist.

Adventskalender im Nationalsozialismus

Während des Nationalsozialismus wollte die Regierung christliche Weihnachtsbräuche aus dem öffentlichen Leben drängen. Mit dem Kriegsausbruch wurde das Papier in Deutschland kontingiert, bald darauf erfolgte ein Verbot der kirchlichen Presse und der Druck von Bildkalendern wurde als kriegsunwichtig eingestellt.

Vorweihnachten – der nationalsozialistische Adventskalender

Da sich Adventskalender allerdings nach wie vor großer Beliebtheit erfreuten, veröffentlichte das Hauptkulturamt der Reichspropagandaleitung der NSDAP den Kalender „Vorweihnachten“. Dies war ein Heft mit einer Auswahl an nationalsozialistischen Weihnachtsliedern, Rezepten für Sinngebäck und Bastelanleitungen für hölzernen Weihnachtsbaumschmuck in Form von Runen und Sonnenrädern. Außerdem enthielt es Anleitungen für das „Weihnachtsgärtlein“, welches die Krippe unter den Weihnachtsbäumen ersetzte. Daneben thematisierte das Heft die Ahnen- und Sippenforschung.

So sollte die Adventszeit umgedeutet und die Gesellschaft weiter von sämtlichen christlich-religiösen Elementen entfernt werden. So bekamen viele Inhalte und Begriffe mit dem Bezug auf vermeintlich germanische Wurzeln neue Bezeichnungen. Beispielsweise wurde so aus dem Adventskranz der Sonnenwendkranz, das Christkind zum Lichtkind und Advent zu Vorweihnachten. Mit der veränderten Lage an der Front prägten den Kalender ab 1942 zunehmend militärische Inhalte. So passte man die Bilder den jeweiligen militärischen Situationen an der Front an.

Von der Nachkriegszeit bis heute

Mit dem Ende des Nationalsozialismus kam auch die Sehnsucht nach christlichen Werten und alten Traditionen zurück. So fingen Betriebe, die nicht zerstört wurden und Papier vorrätig hatten, schon zu Weihnachten 1945 an, Adventskalender zu drucken – mit den „alten“ Motiven.

Damit erfolgte auch der weltweite Durchbruch des Adventskalenders. Richard Sellmer begann 1946 in Stuttgart mit der Adventskalender-Herstellung. Durch die große Nachfrage in Deutschland erreicht der Kalender schnell Berühmtheit in Großbritannien und den USA. Mittlerweile werden in Deutschland Millionen von Adventskalendern gedruckt, mehr als die Hälfte davon geht ins Ausland.

Der Adventskalender wird zur Massenware

In den 1950er Jahren erfreute sich der Adventskalender dann einer flächendeckenden Beliebtheit. Nahezu überall konnten die Leute Adventskalender kaufen – er wurde zur Massenware und dementsprechend günstig. Die Motive waren hauptsächlich romantisch verschneite Städte, hinter dem 24. Türchen verbarg sich eine Krippenszene. Aber auch handgemalte Adventskalender verschiedener Künstler gelangten zu immer größerer Bedeutung.

Adventskalender, wie wir sie kennen

Vor gut 60 Jahren war es dann soweit. Der erste Schokoladenadventskalender erschien 1958. Heute gehört dieser neben Spielzeug- oder Bilder-Adventskalendern zu den am häufigsten gekauften Kalendern. Aber auch Foto-Adventskalender werden immer beliebter.

In den letzten Jahren entwickelte sich daneben der Trend zu gebastelten Adventskalendern zum selber füllen. Sehr beliebt ist dabei die skandinavische Idee, Jutesäckchen an einer Leine aufzuhängen. Die individuellen Adventskalender werden mit viel Leidenschaft gestaltet, da dabei eigene Ideen entwickelt und umgesetzt werden.

Kleiner Junge öffnete Adventskalender

Mittlerweile ist der Adventskalender nicht mehr nur für Kinder, auch Erwachsene beschenken sich gegenseitig. Seit wenigen Jahren entwickeln sich auch Kalender mit neuen Medien. So wird die ursprüngliche Funktion, das Abzählen der Tage, mit dem familiären Geschichtenerzählen verbunden. So entstehen immer mehr Hörbücher mit 24 Geschichten oder mit Liedern. Daneben gibt es auch viele Internet-Adventskalender in Form von Apps, täglichen E-Mails und Gewinnspielen.

Außergewöhnliche Adventskalender

Doch es gibt nicht nur „normale“ Adventskalender. Der größte Freistehende befindet sich in der Leipziger und ist 875 Quadratmeter groß! Der Teuerste hingegen ist vermutlich im Londoner Kaufhaus „Harrods“. 2010 brachte es zum ersten Mal den Eine-Millionen-Dollar-Adventskalender heraus. Dieser beinhaltete zum Beispiel eine Sonnenbrille mit 18 Karat Gold, ein Motorboot und eine Designerküche.

Der Adventskalender – Begleiter in der Weihnachtszeit

Das lateinische Wort adventus bedeutet „Ankunft“. Es steht für die geistige und seelische Vorbereitung auf das höchste christliche Fest des Jahres: die Geburt von Jesus Christus. Und auch, wenn sich Form, Art und Aussehen des Adventskalenders mit der Zeit sehr stark geändert haben, so bleibt die Botschaft doch immer gleich: Freude bereiten und das Besondere und die Einzigartigkeit der Adventszeit zu verdeutlichen. Und natürlich die Vorfreude auf Heiligabend zu steigern – bei Groß und Klein!

Quellen:

Gajek, Esther: Adventskalender – von den Anfängen bis zur Gegenwart, Süddeutscher Verlag

Mergenthaler, Markus: Adventskalender im Wandel der Zeit, J.H.Röll Verlag, Dettelbach 2007

Peschel, Tina: Adventskalender Geschichte und Geschichten aus 100 Jahren, Verlag der Kunst, 2009

Wunderlin, Dominik: Seit wann gibt es Adventskalender, Schweizer Volkskunde, 1980

 

Fotos:

#37540558 – lagom – kleiner Junge mit Schoko-Adventskalender – Fotolia.de

#19204818 –  photobility – Adventskerze  – Fotolia.de

#120697760 – ChristArt – Adventskalender (selbstgebastelt) – Fotolia.de

Gerhard Lang Adventskalender: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Richard_Ernst_Kepler_-_Im_Lande_des_Christkinds.jpg